Der BGH beschäftigt sich in seiner Entscheidung vom 20.03.2024 (IV ZR 68/22) mit der Frage, ob und in wieweit im Rahmen eines Beitragsanpassungsprozesses die Frage der Limitierungsmittelverwendung nach § 155 Abs. 2 VAG durch die Zivilgerichte überprüft werden könne. Ausgangspunkt ist die Klage eines Versicherungsnehmers gegen Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und deshalb unter anderem die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile begehrt.
Das Landgericht Berlin hatte der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hatte das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt.
Der BGH hat das Urteil des Kammergerichts nun aufgehoben. Er stellte klar, dass sich eine Prämienanpassung stets in zwei Schritten vollzieht. Im ersten Schritt wird die Prämie anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert (§ 155 Abs. 1 VAG). Für die korrekte Neukalkulation ist der Versicherer im Gerichtsverfahren beweisbelastet und muss insoweit auch alle Technischen Berechungsgrundlagen offen legen. In einem zweiten Schritt kann der Versicherer die Beitragserhöhung gemäß § 155 Abs. 2 VAG durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitragserstattungen begrenzen (sog. Limitierungsmittel). Hierbei handelt es sich um eine unternehmerische Ermessensentscheidung des Versicherers, so dass im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet sein können, überhaupt einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab für die Limitierungsmaßnahmen zu begründen. Hierfür ist wiederum der Versicherungsnehmer beweisbelastet.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang weiter, dass eine etwaige Fehlerhaftigkeit einer Limitierungsmaßnahme die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung nicht entfallen lässt. Eine fehlerhafte Limitierung kann mithin allenfalls dazu führen, dass dem klagenden Versicherungsnehmer ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann.
Hieraus leitet der BGH eine unbedingt einzuhaltende Prüfungsreihenfolge ab: zunächst muss durch den Versicherungsnehmer zwingend die Neukalkulation angegriffen (und ggf. entsprechend sachverständig überprüft) werden, damit man im nächsten Schritt überhaupt zur Prüfung der Limitierungsmaßnahme kommen kann. Dem isolierten Angriff einer Limitierungsmaßnahme hat der BGH damit eine klare Absage erteilt.
Die Pressemitteilung des BGH Nr. 67/2024 vom 20. März 2024 finden Sie hier >> .
Ansprechpartner: Dr. Joachim Grote, Anja Lippeck
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BGH-Entscheidung zur Limitierungsmittelverwendung
Wichtige Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung.