In vielen Teilen Deutschlands haben die Herbstferien begonnen. Fernreisen für Familien finden aktuell gesteigertes Interesse – pauschal, individuell oder in der Gruppe. Andere lockt die Anreise im Zug zum gemütlichen Ferienhaus an der Ostsee. Wie schnell passiert es — gerade mit (kleinen) Kindern –, dass einer krank wird und die geplante Reise nicht angetreten werden kann.
Reiserücktrittskostenversicherer versprechen die Übernahme anfallender Stornokosten. Die entgangene Urlaubsfreude wird zwar nicht ersetzt, aber wenigstens bleiben die Kunden im besten Fall nicht auf den Kosten sitzen.
Für den Versicherer beginnt an dieser Stelle oft der Ärger. Muss er den Kunden die Stornokosten in der vom Veranstalter veranschlagten Höhe ersetzen? In welchen Fällen kann er anschließend vom Reiseveranstalter die Rückzahlung überhöhter Stornokosten verlangen? Spannende Fragen in Zeiten, in denen Reiseveranstalter immer häufiger sogar 100 Prozent des Reisepreises als pauschale Stornogebühr verlangen.
Können Kunden eine Pauschalreise oder aufeinander bezogen gebuchte Einzelreiseleistungen wie Transport und Unterkunft nicht wahrnehmen, dürfen sie jederzeit vor Vertragsbeginn vom Reisevertrag zurücktreten, müssen aber in der Regel eine Entschädigung an den Reiseveranstalter zahlen. Nach den entsprechenden Musterbedingungen des GDV gewährt die Reiserücktrittversicherung Ersatz für diese sogenannten „vertraglich geschuldeten Stornokosten“ aus dem versicherten Reisearrangement, sofern ein in den Bedingungen versichertes Ereignis eingetreten ist wie Krankheit. Dazu zählen sowohl Stornopauschalen als auch die konkreten Entschädigungen.
Zur Beantwortung der Frage, was zu diesen vertraglich geschuldeten Stornokosten gehört, ist der jeweils geschlossene Reisevertrag zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter maßgeblich. Regelmäßig sehen Reiseverträge in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) pauschalierte Stornoregelungen vor. Solche Stornoregelungen sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit sorgsam zu prüfen. Der Reiseveranstalter als Klauselverwender hat darzulegen, dass er die Stornogebühren der Höhe nach zutreffend berechnet hat.
Sofern der Reiseveranstalter nicht die Möglichkeit einer pauschalierten Stornoregelung gewählt hat oder wenn eine solche Klausel unwirksam ist, muss er die Entschädigung konkret berechnen. Dabei ist vom Reisepreis auszugehen und die vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen abzuziehen. Das betrifft vor allem Beförderungs-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten, die der jeweilige Leistungsträger dem Reiseveranstalter gutschreibt.
Der Reiseveranstalter hat grundsätzlich alle Entschädigungsansprüche zu beweisen, insbesondere auch, dass er keine höheren Einsparungen erzielt hat. Macht er einen pauschalen Stornoanspruch geltend, muss er beweisen, dass die eingepreisten Umstände gewöhnlicherweise so gegeben sind und seine Berechnungsweise darlegen.
Es liegt am Reisenden, zu beweisen, dass der Veranstalter im konkreten Fall überhaupt keinen oder einen wesentlich geringeren Schaden erlitten hat.
Zur Geltendmachung des Versicherungsanspruchs hat der Versicherungsnehmer grundsätzlich die Höhe der vertraglich geschuldeten Stornokosten als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und nachzuweisen. Allein der Hinweis auf den Einbehalt der Anzahlung oder auf Forderungen des Veranstalters reichen nicht.
Der Versicherer kann gegen die Höhe der Stornokosten – namentlich gegen die ordnungsgemäße Einbeziehung sowie die AGB-rechtliche Wirksamkeit – Einwendungen erheben. Anders sieht es gegebenenfalls aus, wenn er die Berechnung der Stornokosten zuvor gebilligt oder er in Kenntnis der konkreten Stornostaffel den Vertrag trotzdem abgeschlossen hat. Der Versicherer ist nur im Rahmen rechtlich zulässiger Stornoregelungen einstandspflichtig.
Deren Berechtigung muss unter Umständen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Reiseveranstalter geklärt werden, wobei es schwierig werden könnte, den Versicherungsnehmer darauf zu verweisen, einen Prozess gegen den Reiseveranstalter zwecks Feststellung der Stornokosten zu führen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat allerdings schon festgestellt, dass der Anspruch des Reisenden auf Rückzahlung überzahlter Stornogebühren gegen den Veranstalter auf den Reiserücktrittsversicherer gemäß Paragraf 86 Abschnitt 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) übergeht. Unerheblich für den Anspruchsübergang ist, ob der Versicherer im Verhältnis zum Reisenden als seinem Versicherungsnehmer zur Erbringung der versicherungsvertraglichen Leistungen verpflichtet war oder nicht.
Paragraf 86 Abschnitt 1 Satz 1 VVG findet auch bei einer Leistung des Versicherers trotz fehlender rechtlicher Verpflichtung Anwendung, so dass der Versicherer den Veranstalter in Regress nehmen kann und im Rahmen von Paragraf 812 fortfolgende Bürgerliches Gesetzbuch die Frage nach der Überzahlung von Stornokosten klären kann.