1. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 VVG kann der Versicherer bei nicht gezahlten Beiträgen nach Ablauf einer gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 VVG bestimmten Zahlungsfrist den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beiträge in Verzug ist. Die Bestimmung einer Zahlungsfrist ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristverlauf verbunden sind. Nach § 38 Abs. 3 Satz 2 VVG kann die Kündigung mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist und der Versicherungsnehmer bei der Kündigung hierauf ausdrücklich hingewiesen wurde (qualifizierte Mahnung).
2. Eine verkörperte Willenserklärung an einen Abwesenden wird gemäß § 130 BGB mit Zugang wirksam. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist, dass die Erklärung in den Machtbereich des Adressaten, also in dessen Empfangseinrichtung gelangt ist (z.B. Briefkasten oder Postfach). Allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts muss man nicht davon ausgehen, dass den Adressaten Willenserklärungen an der von ihm angegebenen Anschrift im Inland nicht mehr erreichen. Es hätte dem Versicherungsnehmer freigestanden, einen Zugang in Abwesenheit dadurch zu verhindern, dass er seine Empfangseinrichtung dem Erklärenden gegenüber wieder entwidmet (Staudinger/Singer/Benedict (2021) BGB § 130, Rn. 71). Unterbleibt das, darf der Erklärende weiterhin darauf vertrauen, dass Erklärungen den Empfänger wie bisher erreichen.
3. Der Zugang der qualifizierten Mahnung ist auch hinreichend dargelegt durch Vorlage des Sendungsstatus sowie der mit der auf dem Sendungsstatus befindlichen übereinstimmenden Sendungsnummer auf der qualifizierten Mahnung. Dies bietet – wie beim Auslieferungsbeleg (BGH, Urteil vom 27.9.2016 – II ZR 299/15 Rn. 33) – einen Beweis des ersten Anscheins für den Zugang. Der Anscheinsbeweis kann zwar erschüttert werden, aber dafür genügt nicht die schlichte Behauptung, die Sendung nicht erhalten zu haben. Es müssen Umstände vorgetragen werden, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Auslieferungsbelegs begründen (Staudinger/Singer/Benedict (2021) BGB § 130, Rn. 108).
Ansprechpartnerin
RAin Anne Middel, Köln
anne.middel@bld.de
Anforderungen an die Fristsetzung bei Zahlungsverzug mit einer Folgeprämie
AG Mitte, Urteil vom 19.6.2024 - 23 C 174/23 (nicht rechtskräftig)