1. Die mit dem LVRG verbundenen Auswirkungen auf die Berechnung des Anteils des Versicherungsnehmers an den Bewertungsreserven im Rahmen der Ermittlung der ihm zustehenden Überschussbeteiligung sind verfassungsrechtlich unbedenklich.
2. Weitere Angaben eines beklagten Versicherers als die im Verfahren OLG Stuttgart, Urteil vom 14.11.2019 - 7 U 12/18, erteilten Angaben sind für eine gutachterliche Plausibilitätsprüfung nicht erforderlich und daher von dem beklagten Versicherer nicht zu verlangen.
3. Mit der Angabe der Höhe der Bewertungsreserven (insgesamt und anteilig aus festverzinslichen Anlagen), des tariflichen Rechnungszins und des Bezugszins des Jahres der Vertragsbeendigung, des errechneten Sicherungsbedarfs, der danach verteilungsfähigen Bewertungsreserven, der Deckungskapitalsummen und des auf den einzelnen Vertrag bezogenen Zuteilungsfaktors genügt ein Lebensversicherer seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick auf die Berechnung der Beteiligung an den Bewertungsreserven.
Anmerkung
Im konkreten Fall hatte der Versicherungsnehmer seine beiden Lebensversicherungsverträge zum 1.9.2018 gekündigt, sodass sich die Berechnung der Beteiligung an den Bewertungsreserven nach dem am 7.8.2014 in Kraft getretenen § 153 Abs. 3 Sätze 2, 3 VVG i.V.m. § 139 Abs. 3 und 4 VAG bestimmt hat. Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften waren daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie überstiegen. Dass die von dem beklagten Versicherer berechnete Beteiligung an den Bewertungsreserven wegens eines zu hoch angesetzten Sicherungsbedarfs zu gering war und dem hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Kläger ein Nachzahlungsanspruch zusteht, stand zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Der beklagte Versicherer hat nach Ansicht des Senats indes seiner sekundären Darlegungslast genügt. Das Informationsinteresse des Versicherungsnehmers begründe grundsätzlich nicht die Verpflichtung des Versicherers zur Vorlage der (fiktiven) versicherungstechnischen Bilanzen, anderer Geschätfsunterlagen oder Berechnungen und statuierte auch kein Einsichtsrecht in weitere Geschäftsunterlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 1.6.2016 - IV ZR 507/15). Ebenso wenig schulde der Versicherer eine Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB oder die Überlassung des Algorithmus zur Ermittlung des Sicherungsbedarfs und der zgrundeliegenden Einzelwerte.
Soweit der Kläger im Streitfall zur Begründung eines Anspruchs auf weitergehende Beteiligung an den Bewertungsreserven einen deutlich geringeren als den beklagtenseits angegeben Sicherungsbedarf behauptet hat, hierfür aber keinerlei Umstände aufgezeigt hat, die Anhaltspunkte dafür darstellen könnten, dass die Angaben der Beklagten zu ihrem Sicherungsbedarf den Kläger benachteiligend falsch sind, war aus Sicht des Senats eine weitere Beweiserhebung nicht angezeigt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine Behauptung unbeachtlich sei, wenn sie ohne greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürliich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (BGH, Urteil vom 26.4.2018 - VII ZR 139/17).
Ansprechpartner
RA Dr. Martin Schaaf, Köln
martin.schaaf@bld.de
RAin Clara Zöll, Köln
clara.zoell@bld.de
Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Berechnung der Beteiligung an den Bewertungsreserven (mit BLD-Anmerkung)
OLG Zweibrücken, Beschlüsse vom 17.4.2023 und 4.5.2023 - 1 U 191/22