1. Bei psychischen Beeinträchtigungen darf der Sachverständige sich zwar ausnahmsweise auf eine Beschwerdeschilderung des Versicherungsnehmers stützen, aber nur wenn es keine andere Möglichkeit der Objektivierung gibt. Dabei darf der Sachverständige die Angaben des Versicherungsnehmers nicht unbesehen hinnehmen, sondern muss diese eingehend mit den zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren prüfen.
2. Insbesondere bei der Beurteilung von nur schwer objektivierbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen muss versucht werden, etwaige Verfälschungstendenzen (wie Simulation, Aggravation und Dissimulation) zu identifizieren. Hierzu stehen testpsychologische Verfahren zur Verfügung, mit denen die Schilderungen des Versicherten überprüft werden können.
3. Werden neben psychischen Beeinträchtigungen auch noch eine Vielzahl von internistischen und orthopädischen Beeinträchtigungen geschildert, welche durch eine Begutachtung nicht bestätigt werden, ist dies bereits ein Hinweis auf Dissimulations- und Aggravationstendenzen. Gleiches gilt, wenn sich aus einem vorprozessualen Privatgutachten Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung ergeben. Hiermit muss sich der Sachverständige dann zwingend auseinandersetzen.
Anmerkung
Der zunächst beauftragte Sachverständige hatte sich im Wesentlichen nur auf die anamnestischen Angaben des Klägers sowie die Diagnosen und Berichte anderer Ärzte und Gutachter gestützt, ohne diese eingehend zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Dem Sachverständigen wurden vom erstinstanzlichen Gericht daher detaillierte Weisungen für ein Ergänzungsgutachten erteilt. Sodann erfolgten zwar auch zwei testpsychologische Untersuchungen (MMPI II und BDI-II), weiterhin erfolgte aber keine kritische Überprüfung der anamnestischen Angaben des Klägers und der Vorgutachten.
Im Termin vor dem LG Köln räumte der Sachverständige zudem selbst ein, dass die erhobenen Testergebnisse einer weitergehenden Auswertung zugänglich seien, er eine solche aber nicht vorgenommen habe. Auch habe er einzelne Testwerte nicht weiterverfolgt und auch Leistungstests nicht durchführen lassen. Gleichzeitig will er aber die Leistungstests des Privatgutachtens berücksichtigt haben, was widersprüchlich ist, da diese gerade eine Antwortverzerrung und eine Tedenz zur Aggravation beschreiben, die vom Sachverständigen aber nicht angenommen wird.
Das OLG hat in der Berufungsinstanz daher ein neues Gutachten durch einen anderen Sachverständigen nach § 412 Abs. 1 ZPO angeordnet. Dieser konnte im Ergebnis keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit feststellen. Von einer nochmaligen Anhörung des bisherigen Sachverständigen wurde in der Berufungsinstanz abgesehen, da der neue Sachverständige an dessen Stelle getreten ist.
Gegen die Entscheidung wurde die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH eingelegt.
Ansprechpartnerin
RAin Dominique von Kölln, Köln
dominique.vonkoelln@bld.de