Gelingt es dem Geschädigten entgegen der Einschätzung des von ihm beauftragten Sachverständigen zur Überzeugung des Tatrichters, die erforderliche Reparatur seines Fahrzeugs unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, und stellt der Geschädigte damit den Zustand seines Fahrzeugs wie vor dem Unfall wieder her, um es nach der Reparatur weiter zu nutzen, kann er Ersatz des entstandenen Reparaturaufwands verlangen.
Anmerkung
Mit dem Urteil vom 16.11.2021 richtet der BGH im „Haus“ der Fahrzeugschadenabrechnung, um das Bild des langjährigen Mitglieds des VI. Senats Wellner zu verwenden (in FS für Gerda Müller, 2009, 491, 499), ein neues Zimmer ein, und zwar oben unter dem Dach: In dem Fall lagen die Reparaturkosten bei 159 % des Wiederbeschaffungswerts. Trotzdem kann der Geschädigte dann ausnahmsweise Reparaturkosten bis 130 % des Wiederbeschaffungswerts verlangen, wenn er beweist, dass sein Fahrzeug innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang repariert wurde, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (und das Fahrzeug weiter nutzt).
Überraschend kommt die Entscheidung nicht. Mit seinem 170 %-Fall hatte der BGH bereits am 14.12.2020 geurteilt, dass dies bei einer fachgerechten Reparatur (etwa mit Gebrauchtteilen) und tatsächlich angefallenen Reparaturkosten gilt, die unterhalb des Wiederschaffungswerts bleiben (hierzu und zu weiteren Konstellationen Tomson DAR 2011, 246). Konsequent wird dies nun auf konkrete Reparaturkosten bis 130 % des Wiederbeschaffungswerts erweitert. Einen sachlichen Grund, die vorliegende Konstellation anders zu betrachten, gibt es auch nicht.
Ein „Selbstläufer“ ist das für den Geschädigten freilich nicht. Denn er muss beweisen, dass die Reparatur tatsächlich fachgerecht erfolgt ist. Der BGH hat die Sache deswegen zurückverwiesen. Anders als das Berufungsgericht kommt nämlich der BGH zu dem Ergebnis, dass dem Kläger dieser Nachweis bislang nicht gelungen ist.
Ansprechpartner
RA Christian Tomson, MBL, Köln
christian.tomson@bld.de