1. Die Legalzession nach § 116 SGB X ändert nichts an der Darlegungs- und Beweislast des Sozialversicherungsträgers.
2. Der Sozialversicherungsträger kann dem Schädiger nicht entgegenhalten, dass sein eigenes Prüfrecht gesetzlich eingeschränkt ist.
3. Eine Art „Krankenhausrisiko“ in Anlehnung an das Werkstattrisiko bei Sachschäden existiert nicht.
4. Der Sozialversicherungsträger hat jede in ihrer Unfallkausalität streitige Einzelaufwendung zu belegen.
Anmerkung
Am 9.7.2024 hat der BGH die hinlänglich bekannte Entscheidung des OLG Naumburg, Urteil vom 6.7.2023 – 9 U 125/22 - BeckRS 2023, 19599 aufgehoben und zurückverwiesen. Hierbei hat der BGH in seiner vorläufigen rechtlichen Bewertung die Argumentation des beklagten Versicherers in allen Punkten gestützt. Der 9. Senat aus Naumburg hatte bei seiner Entscheidung die Grundsätze des Forderungsübergangs verkannt.
Die klagende Krankenkasse regressiert beim Schädiger Behandlungskosten anlässlich eines Unfalls im Jahr 2018. Die geltend gemachten Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers konnte die Beklagte aber nicht vollumfänglich nachvollziehen und hat daher nur teilweise reguliert. Das OLG Naumburg hatte der Klage des Sozialversicherungsträgers ohne die Erholung des beantragten Sachverständigengutachtens zur Schadenhöhe stattgegeben und die Auffassung vertreten, dass im Rahmen einer subjektbezogen Schadenbetrachtung auf den Sozialversicherungsträger abzustellen ist. Dessen Prüfmöglichkeiten hinsichtlich der geltend gemachten Behandlungskosten sind gesetzlich eingeschränkt (§ 275c SGB V). Nach Auffassung des OLG Naumburg musste sich dies auch der beklagte Versicherer entgegenhalten lassen. Nach Auffassung des OLG spielte es keine Rolle, inwieweit die Beanstandungen der Beklagten zu einzelnen Abrechnungspositionen im Fall eines Sozialgerichtsprozesses zwischen Sozialversicherungs- und Krankenhausträger (Rechnungssteller) erfolgreich gewesen wären. Es sei nicht Aufgabe der Zivilgerichte, die Abrechnungen auf materiellrechtliche Richtigkeit hin zu prüfen, soweit die Kongruenz gewahrt ist.
Die Entscheidung des OLG Naumburg führt - konsequent zu Ende gedacht - zu unbilligen Ergebnissen und wurde daher von Seiten der Literatur heftig kritisiert, vgl. Lang r+s 2023, 923 und Seiler VersR 2024, 195 ff. Verkannt hat das OLG, dass gemäß ständiger BGH-Rechtsprechung die Legalzession nichts an der Darlegungs- und Beweislast ändert, die beim Geschädigten liegt. Hiergegen liegt ein Verstoß, wenn die subjektbezogene Schadenbetrachtung auf den Sozialversicherungsträger abstellt, der aber nur einen übergegangenen Anspruch seines Versicherten geltend macht. Es kann nicht angehen, dass im Rahmen der Geltendmachung eines Anspruchs des Versicherten Rücksicht auf die Belange des Sozialversicherungsträgers genommen wird.
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Zahlreiche Instanzgerichte hatten sich zwischenzeitlich der fehlerhaften Auffassung des OLG Naumburg angeschlossen und von der erforderlichen Beweisaufnahme abgesehen. Das war zwar der bequeme Weg, um die Akte zügig vom Tisch zu bekommen, verletzt aber den Schädiger in seinem Anspruch auf die Gewähr rechtlichen Gehörs. Das OLG Naumburg und zahlreiche Instanzgerichte müssen nun wieder ordnungsgemäß Beweis erheben.
Ansprechpartner
RA Armin Seiler, München
armin.seiler@bld.de
BGH hebt fehlerhafte Entscheidung des OLG Naumburg zur Rechnungsprüfung beim Regress des Sozialversicherungsträgers auf (mit BLD-Anmerkung)
BGH, Urteil vom 9.7.2024 - VI ZR 252/23