1. Die zu § 25 Abs. 3 StVO geltenden Sorgfaltsanforderungen an Fußgänger sind nicht davon abhängig, ob die Straße überquert werden soll. Sie gelten erst recht, wenn die Straße nicht gequert wird (§§ 25 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 14 Abs. 1, 1 Abs. 2 StVO), sondern die Fahrbahn zu anderen, verkehrsfremden Zwecken (hier: anlässlich des Entladens) betreten wird.
2. Die Sicherung einer Baustelle und der damit im Zusammenhang stehende Entladevorgänge ist Sache des für die Baustelle Verantwortlichen und nicht Sache der im fließenden Verkehr bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer, die deshalb bei Fehlen von Sicherungseinrichtungen davon ausgehen dürfen, eine besondere Gefahrensituation bestehe nicht.
3. Die Einhaltung seitlicher Abstände zu parkenden Fahrzeugen dient grundsätzlich nicht dem Schutz von zwischen parkenden Fahrzeugen oder Containern befindlichen Fußgängern. Die erforderlichen seitlichen Abstände sind zudem keineswegs fest zu bestimmen. Wenn die Einhaltung eines Mindestabstandes wegen der Enge der verbleibenden Fahrbahn bei Gegenverkehr nicht möglich ist, dürfen Teilnehmer im fließenden Verkehr ungeachtet geringer Abstände zwischen den Fahrzeugen sowie zu den parkenden Fahrzeugen dennoch aneinander vorbeifahren.
Ansprechpartnerin
RAin Dr. Corinna Carl, Berlin
corinna.carl@bld.de
Der fließende Verkehr hat (erst recht) gegenüber dem nichtquerenden Fußgänger Vorrang
KG, Beschluss vom 6.10.2022 - 22 U 89/22