1. Eine Abtretung ist unwirksam, wenn für den Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, unter welchen Voraussetzungen er vom Sachverständigen trotz erfolgter Abtretung weiterhin in Anspruch genommen werden kann. Eine Abtretung an Erfüllung statt hingegen begünstigt den Geschädigten umfassend und befreit ihn von der Verbindlichkeit, sodass die Abtretung wirksam ist.
2. Hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ein Schadengutachten in Auftrag gegeben und mit dem Sachverständigen eine Preis- oder Honorarvereinbarung getroffen, ohne sich der daraus ergebenden Verpflichtung zugleich durch Abtretung eigener Ansprüche auf Ersatz der Sachverständigenkosten an Erfüllungs statt zu entledigen, bildet dies bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Anmerkung
Wiederholt befasst sich der BGH mit seinen Urteilen vom 7.2.2023 (VI ZR 137 und VI ZR 138/22) in gleichgelagerten Fällen mit der Wirksamkeit von Abtretungserklärungen von Schadenersatzansprüchen des Geschädigten auf Erstattung der Sachverständigengebühren an den Kfz-Sachverständigen.
Vorliegend gibt es zwei Abtretungserklärungen. Die Formulierung wurde nachgebessert, da der Sachverständige offensichtlich selbst Zweifel an der Wirksamkeit der ersten Abtretung hatte.
Die ursprünglich verwendete formularmäßige Abtretungsklausel verstößt gegen das Transparenzgebot. Der BGH erachtet eine Abtretung für unwirksam, wenn für den Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, unter welchen Voraussetzungen er vom Sachverständigen trotz erfolgter Abtretung weiterhin in Anspruch genommen werden kann. Dem Geschädigten müsse vermittelt werden, welche Rechte er im Zusammenhang mit der Abtretung habe. Der Geschädigte wurde nicht darauf hingewiesen, dass mit der Leistung erfüllungshalber (im Formular „nicht an Erfüllung statt“) regelmäßig eine Stundung der „Grundforderung“, also der Honorarforderung verbunden sei. Der Sachverständige dürfe auf diese erst zurückgreifen, wenn der Versuch der anderweitigen Befriedigung aus der ihm erfüllungshalber übertragenen Forderung gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer fehlgeschlagen ist. Die Klausel muss auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so wie möglich verdeutlichen. Diese Vorgabe erfüllt die Klausel nicht. Mit der Entscheidung vom 18.2.2020 – VI ZR 135/19 hatte der BGH erkannt, dass eine Klausel intransparent sei, wenn aus ihr nicht deutlich werde, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe. Die aktuelle Entscheidung führt diese Rechtsprechung konsequent fort.
Die Aktivlegitimation bejaht der BGH jedoch nach der später unterzeichneten zweiten Abtretungserklärung. Dort wurde eine Abtretung an Erfüllung statt vereinbart. Dadurch wird der Geschädigte umfassend begünstigt. Er wird vom Werklohnanspruch des Sachverständigen befreit. Im Hinblick auf die Höhe beanstandet der BGH eine Honorarvereinbarung nicht, bei der die Nebenkosten den BVSK-Honorarbefragungen 2015 und 2018 sowie den Bestimmungen des JVEG entsprechen.
Auch nach den aktuellen Urteilen lässt der BGH erkennen, dass er ein erhebliches Augenmerk auf die Verwendung formularmäßiger transparenter Klauseln durch die professionellen Leistungserbringer (Sachverständige, Mietwagenunternehmen, Reparaturwerkstätten) legt. Dem Geschädigten sind die rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile der Zession zu verdeutlichen. Eine Vielzahl der in der Praxis verwendeten Klauseln dürfte diesem Maßstab nicht standhalten. Eine Abtretung an Erfüllung statt wird für wirksam erachtet. Die Variante sollte aber in der Praxis keine wesentliche Rolle spielen, da die Leistungserbringer ihre Vergütungsansprüche gegen ihre Auftraggeber aufgeben und sich dem Risiko einer Kürzung aussetzen (z.B. wegen Mithaftung).
Ansprechpartner
RA Oliver Kröger, Berlin
oliver.kroeger@bld.de
In Verbindung stehende Entscheidungen
BGH, Beschluss vom 7.2.2023 - VI ZR 138/22
Erstattungsfähigkeit von Sachverständigengebühren aus abgetretenem Recht (mit BLD-Anmerkung)
BGH, Urteil vom 7.2.2023 - VI ZR 137/22