Das Vorabentscheidungsverfahren wird gemäß Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-154/21, C-487/21 und C-307/22 ausgesetzt.
Anmerkung
Das OLG Koblenz hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO, ABl. EU L 119 vom 4.5.2016 S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahin auszulegen, dass der Verantwortliche (hier: der Versicherer) auch dann verpflichtet ist, dem Betroffenen (hier: dem Versicherungsnehmer) eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen – datenschutzfremden, aber legitimen – Zweck (hier: die Prüfung der Wirksamkeit von Beitragserhöhungen zur privaten Krankenversicherung) verfolgt, und dies selbst dann, wenn Angaben gefordert werden, die dem Versicherten bereits im Rahmen des Beitragserhöhungsverfahrens nach § 203 VVG brieflich mitgeteilt wurden?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Gehören zu den personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO die folgenden Angaben:
a) Angaben zu Beitragsanpassungen, die der Versicherer in der privaten Krankenversicherung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer vorgenommen hat, insbesondere zum Betrag der vorgenommenen Anpassung und zu den betroffenen Versicherungstarifen und
b) der Wortlaut der Begründungen für die Beitragsanpassungen (§ 203 Abs. 5 VVG).
3. Falls die Frage 1 bejaht wird und auch Frage 2 ganz oder teilweise bejaht wird: Umfasst der Anspruch eines Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung auf Zurverfügungstellung einer Kopie der vom Versicherer verarbeiteten personenbezogenen Daten auch einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie der Nachträge zum Versicherungsschein, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer zur Mitteilung einer Beitragserhöhung übersendet hat, sowie der mitversendeten Anschreiben und Beiblätter oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Versicherten als solche gerichtet, wobei es dem datenverarbeitenden Versicherer überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Versicherungsnehmer die Daten zusammenstellt.
Die Frage, ob ein Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO auch dann besteht, „wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen – datenschutzfremden, aber legitimen – Zweck […] verfolgt“, ist bereits Gegenstand von Vorlagen des BGH (VersR 2022, 929 Rn. 13-19). Aus diesem Grund hat sich der EuGH für eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in diesen Verfahren entschieden.
Ansprechpartner
RA Dr. Joachim Grote, Köln
joachim.grote@bld.de
RA Dr. Tobias Britz, Köln
tobias.britz@bld.de
RA PD Dr. Dominik Schäfers, LL.M., Köln
dominik.schaefers@bld.de
EuGH setzt Verfahren zur Frage des Rechts auf Kopien nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO in Beitragsanpassungsverfahren aus (mit BLD-Anmerkung)
EuGH, Vorabentscheidungsersuchen vom 19.10.2022 – C-672/22 – Entscheidung vom 24.11.2022