Macht der Halter (Sicherungsgeber oder Leasingnehmer) in Prozessstandschaft für den nicht-haltenden Eigentümer (Sicherungsnehmer oder Leasinggeber) dessen deliktische Ansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend und verlangt er aufgrund einer Ermächtigung des Eigentümers Zahlung an sich selbst, kann der Schädiger nicht die dolo-agit-Einwendung im Hinblick auf den ihm gegen den Halter zustehenden Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB erheben; es besteht aber die Möglichkeit, den Ausgleichsanspruch im Wege der (Hilfs-)Widerklage gegen den Halter geltend zu machen.
Anmerkung
Die Entscheidung ist sehr lesenswert und instruktiv, da sie sich zu vielen für die Praxis wichtigen Fragen verhält: Zu der Frage, ob eine unzulässige Klagehäufung vorliegt, zur Haftung bei einem Unfall im Parkhaus und schließlich zu Ausgleichsansprüchen gegenüber dem klagenden Fahrzeughalter.
Der Kläger macht nach einem Unfall in einem Parkhaus nach hälftiger Regulierung durch die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners Schadensersatz auf Basis von 100 % geltend. Es geht um weitere Reparaturkosten, den Minderwert, Sachverständigenkosten, die Unkostenpauschale, um Mietwagenkosten und vorgerichtliche Anwaltskosten. Das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug des Klägers war zur Sicherheit an die finanzierende Bank übereignet; außerdem hatte der Kläger sämtliche Ansprüche aus einem eventuellen Verkehrsunfallereignis im Voraus an die Bank abgetreten. Die Bank hatte den Kläger ermächtigt, Schadensersatzansprüche aus einem solchen Ereignis im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Mit seiner Klage hat der Kläger im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft den vollen Schaden ersetzt verlangt. Die Beklagte hat im Wege einer Hilfswiderklage die Feststellung beantragt, dass der Kläger verpflichtet sei, die Beklagte im Falle ihrer Verurteilung zur Zahlung weiterer Reparaturkosten, weiterer Wertminderung sowie weiterer Sachverständigenkosten in Höhe des sich daraus ergebenden Urteilsbetrags gegenüber der finanzierenden Bank freizustellen. Das AG hat unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers diesem lediglich weitere Rechtsverfolgungskosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das LG zurückgewiesen.
Der Kläger hatte seine Klage auf ein undifferenziertes Gemenge von Ansprüchen sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht ohne Angabe einer Prüfungsreihenfolge gestützt. Das war eine alternative Klagehäufung, die wegen des Verstoßes gegen das Gebot, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, unzulässig war. Erst auf Hinweis des Senats im Revisionsverfahren hat der Kläger klargestellt, welche für die Bank erhobenen Ansprüche aus eigenem und welche aus abgetretenem Recht (der Bank) geltend gemacht werden, und damit die Klage zulässig gemacht.
Der BGH macht im weiteren umfangreiche Ausführungen zur Haftung und kommt zu dem Ergebnis, dass beide unfallbeteiligten Fahrer den Unfall zu gleichen Teilen verschuldet haben. Das führt in der vorliegenden Konstellation (Stichwort: Schadensersatzansprüche des nicht-haltenden Fahrzeugeigentümers) zu dem bekannten Ergebnis, dass der Kläger hinsichtlich der sog. fahrzeugbezogenen Schadenpositionen (Reparatur- und Sachverständigenkosten, Minderwert), die der Kläger als originäres Recht der Bank aus dem Sicherungseigentum einklagt, einen ungekürzten, d. h. nicht um das Mitverschulden des Klägers gekürzten, deliktischen Anspruch geltend machen kann. Die Beklagte hatte hierauf mit der dolo-agit-Einrede reagiert. Diese lässt der BGH allerdings nicht durchgreifen. Es bleibt aber nicht bei dem „ungerechten“ Ergebnis, denn der BGH hält die in der Revisionsinstanz erhobene Hilfswiderklage der Beklagten für zulässig und begründet.
Das ist eine gute Nachricht für künftige Fälle dieser Art, die in der Praxis häufig vorkommen. Wermutstropfen ist aber, dass hier ein beidseitiges Verschulden vorlag. Wie wäre es, wenn der Unfall ungeklärt bliebe, also letztlich nur die Betriebsgefahr auf beiden Seiten zu berücksichtigen wäre? Hier war es so, dass die Beklagte ebenso wir der Kläger der Bank gegenüber deliktsrechtlich zum Ersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG verpflichtet ist. Der Kläger und die Beklagte sind gemäß § 840 Abs. 1 BGB insoweit Gesamtschuldner. Ohne Verschulden des Klägers hätte die Bank aber keinen Anspruch auf § 823 BGB (und auch nicht aus § 7 StVG). Ausgleichsansprüche ließen sich aber auch dann, wenn auch „aufwändiger“, herleiten (vgl. hierzu BGH VersR 2021, 183 mit Anmerkung von Tomson).
Ansprechpartner
RA Christian Tomson, MBL, Köln
christian.tomson@bld.de
In Verbindung stehende Entscheidungen
BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 429/19
(Hilfs-)Widerklage auf Ausgleichsansprüche gegen den Halter bei Klage über Schadensersatzansprüche eines nicht-haltenden Fahrzeugeigentümers (mit BLD-Anmerkung)
BGH, Urteil vom 17.1.2023 - VI ZR 203/22