1. Ein angeblich schadhafter Motor eines Luftfahrzeugs stellt keine von dem Luftfahrzeug verschiedene Sache im Sinne des ProdHaftG dar. Vielmehr handelt es sich bei dem Produkt „Luftfahrzeug“ um ein einheitliches Produkt. Verunglückt der Käufer daher mit dem Luftfahrzeug und behauptet, Ursache sei ein nicht funktionsfähiger Motor gewesen, so scheidet ein Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG bereits aus Rechtsgründen aus, wenn durch den Absturz ein Schaden an dem Luftfahrzeug selbst eintritt. Denn durch den behaupteten Produktfehler müsste „eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt“ worden sein. Das ist im Verhältnis von Motor zu Luftfahrzeug aber gerade nicht der Fall.
2. Dem ProdHaftG sind sogenannte „Weiterfresser“-Schäden fremd. Bereits der Wortlaut sowohl der Richtlinie als auch des ProdHaftG selbst ist nach allgemeinem Verständnis eindeutig, da die „andere Sache“ dem fehlerhaften Produkt als solchem gegenübergestellt wird, während etwa § 1 Abs. 3 ProdHaftG ausdrücklich das „Teilprodukt“ erwähnt. Da § 1 ProdHaftG ausdrücklich zwischen einem anderen Produkt und einem Teilprodukt differenziert, kann ein „Weiterfresser“-Schaden gerade nicht von dem Anspruch gedeckt sein.
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht ausnahmsweise dann, wenn anderweitige vertragliche oder deliktische Ansprüche bereits verjährt sind. Denn das Erfordernis der Beschädigung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produkts sichert gerade den Vorrang der vertragsrechtlichen Gewährleistung. Diese Regelungen sollen durch die Haftung nach dem ProdHaftG nicht umgangen werden, soweit ein Schaden an der Kaufsache selbst in Rede steht.
Ansprechpartner
RA Robert Mielke, Köln
robert.mielke@bld.de
Keine Anwendbarkeit der „Weiterfresser“-Rechtsprechung im Rahmen des ProdHaftG
LG Fulda, Urteil vom 24.5.2023 – 4 O 83/22