Wenn ein Schadensersatzanspruch des Haftpflichtversicherungsnehmers gegen den Versicherer in Rede steht (und nicht ein vertraglicher Anspruch auf Versicherungsleistung), gelten nicht die Grundsätze über die - dem Geschädigten in Ausnahmefällen zustehende - vorweggenommene Deckungsklage. Der Geschädigte kann einen solchen Schadensersatzanspruch, wenn nicht eine Abtretung oder ein sonstiger Anspruchsübergang erfolgt ist, nicht gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen.
Anmerkung
In der Haftplfichtversicherung gilt bekanntlich das Trennungsprinzip, wonach das Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und Schädiger und das Haftpflichtverhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger streng voneinander zu trennen sind. Eine Ausnahme bildet § 115 VVG, der für bestimmte Fälle einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer normiert. Ansonsten kann der Geschädigte gegen den Haftpflichtversicherer im Regelfall nur dann vorgehen, wenn er aufgrund eines Titels gegen Schädiger – den Versicherungsnehmer – dessen Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer gepfändet und sich zur Einziehung hat überweisen lassen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt ausnahmsweise eine vorweggenommene Deckungsklage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer aufgrund der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung zu, wenn die Gefahr besteht, dass dem Geschädigten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers verloren geht (BGH, Urteil vom 15.11.2000 - IV ZR 223/99, Rn. 10; Urteil vom 5.4.2017 - IV ZR 360/15 - BGHZ 214, 314 ff., Rn. 24 ff.), oder wenn der Versicherer auf Anfrage des Geschädigten, ob Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (BGH, Beschluss vom 22.7.2009 - IV ZR 265/06, Rn. 2).
Das OLG Hamm hat in dem vorliegenden Beschluss nun klargestellt, dass die Grundsätze über die vorweggenommene Deckungsklage zugunsten des Geschädigten nur gelten, soweit dieser damit aus dem Anspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Haftpflichtversicherer auf Erfüllung der vertraglich vereinbarten Versicherungsleistung vorgeht. Im Fall ging es indes um einen behaupteten Anspruch aufgrund einer fehlerhaften Beratung hinsichtlich der notwendigen Deckungssumme. Steht ein solcher Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers in Rede, kommen die Grundsätze der vorweggenommenen Deckungsklage des Geschädigten nicht zur Anwendung.
Ansprechpartner
RA Dr. Jendrik Böhmer, LL.M., Köln
jendrik.boehmer@bld.de
Keine Feststellungsklage des Geschädigten gestützt auf Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen seinen Haftpflichtversicherer (mit BLD-Anmerkung)
OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2022 - 20 U 213/22