1. Die Dauer der dem Haftpflichtversicherer zustehenden Prüffrist unterliegt keinen starren Grenzen. Vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. Die Prüffrist beginnt mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens.
2. Die Kosten einer Klagerücknahme bei einer vor Ablauf des Prüfzeitraums erhobenen Klage trägt der Kläger.
Anmerkung
Das OLG Frankfurt/M. hat sich in seinem Beschluss mit der Frage auseinandergesetzt, wie lange sich die dem Haftpflichtversicherer zustehende Prüffrist nach Schadenmeldung bemisst.
Ein deklaratorisches Anerkenntnis forderte die Klägerin von dem Beklagten bei einem Verkehrsunfall vom 2.1.2023 mit Schreiben vom 22.1.2023. Am 1.2.2023 reagierte die Haftpflichtversicherung hierauf und teilte mit, dass noch eine schriftliche Schadenanzeige sowie ein Auszug aus der Ermittlungsakte einzuholen wären. Eine abschließende Erklärung zur Haftungsfrage könne noch nicht abgegeben werden. Gleichzeitig wurde auf Grund der erheblichen Verletzungen ein Vorschuss von 5.000,00 Euro gezahlt sowie der Einsatz eines Rehabilitationsdienstes angeboten. Am 2.3.2023 lag dann die Schadenanzeige vor, die Ermittlungsakte jedoch nicht. Deswegen erklärte der Haftpflichtversicherer, dass weiterhin noch keine Erklärung zum Haftungsgrund abgegeben werden könne. Es wurde jedoch ein weiterer Vorschuss von 5.000,00 Euro gezahlt. Am 4.4.2023 wurde dann weiter mitgeteilt, dass die Ermittlungsakte noch nicht vorliege. Es wurde ein weiterer Vorschuss von 5.000,00 Euro gezahlt. Nachdem die Ermittlungsakte vorlag, erklärte die Haftpflichtversicherung für sich und den Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 11.4.2023 das geforderte Grundanerkenntnis.
Die Klägerin erhob Klage am 10.4.2023, die Beklagten erklärten also einen Tag nach Anhängigkeit der Klage ihre Eintrittspflicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Klage noch nicht zugestellt.
Das LG hat in erster Instanz die Kosten der Klägerin auferlegt. Das LG war der Auffassung, dass die Beklagten keine Veranlassung zur Klage gegeben haben. Die Prüffrist sei im Einzelfall noch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn teilweise von der Rechtsprechung eine regelmäßige Prüffrist von vier Wochen angesetzt wird, kann im Einzelfall ein deutlich längerer Zeitraum zur Prüfung notwendig sein. Dies hat das LG maßgeblich damit begründet, dass die erklärte Feststellung auf Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden aus einem Verkehrsunfall bei einem schweren Verkehrsunfall weitreichend ist. Ein solch schwerer Verkehrsunfall lag hier vor. Den Beklagten sei daher zuzubilligen, vor Abgabe einer solchen Erklärung Einsicht in die Ermittlungsakte zu nehmen.
Da die Beklagte dann auch Vorschusszahlungen geleistet habe, sei von ihr hierdurch grundsätzliche Regulierungsbereitschaft signalisiert worden, sodass die Klägerin davon ausgehen musste, dass nach Klärung der Haftungsfrage die Regulierung durch die Beklagte erfolgen würde.
Die Entscheidung hat das OLG Frankfurt/M. bestätigt. Der Senat hat nochmals darauf hingewiesen, dass keine starren Prüffristen gelten, sondern es stets auf die individuellen Umstände des Einzelfalls ankomme.
In Bezug genommen hat der Senat ebenfalls wie das LG die umfangreichen Vorschusszahlungen der Beklagten, die Regulierungsbereitschaft signalisierten. Gleichzeitig sei auf Grund des schweren Verkehrsunfalls die Erklärung zum Haftungsgrund besonders gewichtig gewesen, sodass die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte von den Beklagten abgewartet werden durfte, bevor sie sich zum Haftungsgrund erklären. Dies galt hier umso mehr, da die Versicherungsnehmerin der Beklagten keine Angaben zum Unfallhergang gegenüber ihrer Haftpflichtversicherung machte.
Die Entscheidung des LG Marburg und des OLG Frankfurt/M. verdeutlichen, dass es keine starren Prüfpflichten für Haftpflichtversicherer gibt. Aus der Entscheidung ist abzuleiten, dass, je schwerer der Verkehrsunfall wiegt, im Einzelfall längere Prüffristen gelten können, da die Entscheidung zum Haftungsgrund gewichtiger ist und weitreichendere Folgen hat. Gleichzeitig scheint hier entscheidend gewesen zu sein, dass Vorschussleistungen gezahlt worden sind. Nicht sicher ist, ob auch so entschieden worden wäre, wenn die Vorschusszahlungen nicht erfolgt wären.
Ansprechpartner
RA Immanuel Drewes, Köln
immanuel.drewes@bld.de
Kosten nach Klagerücknahme bei verfrühter Klage (mit BLD-Anmerkung)
OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 13.11.2023 - 25 W 59/23