1. Alternative Behandlungsmethoden sind dann als medizinisch notwendig anzusehen, wenn sich die Methode in der Praxis als Erfolg versprechend bewährt hat und sie in ihrer Wirksamkeit den von der Schulmedizin gebilligten Methoden gleichzustellen ist. Beurteilungsgrundlage bildet auch insoweit die Schulmedizin (vgl. OLG Köln, Urteil vom 30.10.1996 – 5 U 88/96). Es gibt weder einen Beleg für die Wirksamkeit einer Behandlung metastasierender Lungenkarzinome mit Curcumin und Artesunat noch für die Therapieeffektivität der sog. Maintrac-Methode.
2. Bei unheilbaren Erkrankungen können geringere Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung zu stellen sein. Dies ist im Ergebnis aber nur der Fall, wenn zur Behandlung der unheilbaren Krankheit keine allgemein anerkannten Therapien zur Verfügung stehen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.6.1999 - 5 U 232/98).
Anmerkung
Es gibt weder einen Beleg für die Wirksamkeit einer Behandlung metastasierender Lungenkarzinome mit Curcumin und Artesunat noch für die Therapieeffektivität der sog. Maintrac-Methode. Diese als experimentell anzusehenden Methoden finden dementsprechend auch keine Erwähnung in der aktuellen deutschen Lungenkarzinomleitlinie. Aus thoraxonkologischer Sicht sind die genannten Methoden nicht nachvollziehbar und dementsprechend medizinisch nicht notwendig.
Zum zweiten Leitsatz ist zu erwähnen, dass nur dann, wenn es keine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode gibt, es darauf ankommt, ob die Behandlung nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf deren Verlangsamung hinzuwirken, wobei dann - aber auch nur dann - unerheblich ist, ob die Geeignetheit von schulmedizinischen Erwägungen abhängt oder auf Erkenntnissen der alternativen Medizin aufbaut, sofern die Methode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht (BGH, Urteil vom 10.7.1996 - IV ZR 133/95; OLG Köln, Urteil vom 23.6.1999 - 5 U 232/98). Die herabgesetzten Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit, wie sie in der vorstehenden Entscheidung des BGH dargestellt sind, kommen daher nicht zum Tragen, sofern ausreichend erforschte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, welche die Krankheit zwar nicht heilen, aber nachweislich zu einer zumindest vorübergehenden Verhinderung der Verschlimmerung und einer verbesserten Lebensqualität des Patienten führen können.
Ansprechpartnerin
RAin Anne Middel, Köln
anne.middel@bld.de
Maintrac-Methode ist zur Behandlung eines metastasierenden Lungenkarzinoms nicht medizinisch notwendig (mit BLD-Anmerkung)
LG Kempten (Allgäu), Urteil vom 7.9.2023 – 32 O 1690/21 Ver (nicht rechtskräftig)