1. Die Anforderungen an Anspruchsgrund- und Schadennachweis sind für die Rechte aus § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X herleitenden Sozialversicherungsträger nicht anders,
insbesondere besser, als für seinen Versicherungsnehmer, den unmittelbar Geschädigten. Den Sozialversicherungsträger, der einen auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend macht, trifft die gleiche Darlegungs- und Beweislast wie den Geschädigten. Er muss den Strengbeweis (§ 286 ZPO) für die Verletzungen und die Unfallkausalität von Behandlungen und Arbeitsunfähigkeit führen.
2. Eine Zurückweisung nach § 538 Abs. 1 ZPO wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels erfordert, dass der Mangel eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig und nicht nur wahrscheinlich macht. Umfangreich ist eine Beweisaufnahme, wenn mehrere Beweise zu erheben sind; aufwändig ist sie, wenn sie nicht in einem Termin durchgeführt werden kann.
Anmerkung
Die klägerische Krankenkasse hatte erstinstanzlich anlässlich eines Unfalls ihrer Versicherten u.a. Behandlungskosten geltend gemacht. Die Alleinhaftung der Beklagten für den Unfall war unbestritten. Unstreitig war auch, dass die Versicherte der Klägerin unfallbedingt einen Armbruch sowie diverse Prellungen erlitt.
Die Geschädigte wurde nach dem Unfall in einer Klinik in Krefeld operiert. Es wurde eine Metallplatte eingesetzt und befand sich bis Januar 2020 dort in stationärer Behandlung. Im Februar 2022 wurde die aufgrund des Unfalls eingesetzte Metallplatte wieder in einem Klinikum in Duisburg entfernt. Es schloss sich wiederum ein stationärer Aufenthalt bis März 2022 an.
Streit besteht zwischen den Parteien dahingehend, ob zur Entfernung der Platte im Jahr 2022 tatsächlich eine stationäre Aufnahme erforderlich war oder eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre. Die Beklagten hatten lediglich die Kosten für eine ambulante Behandlung erstattet und die darüber hinausgehend geltend gemachten Kosten für den stationären Aufenthalt nicht erstattet. Es wurde bestritten, dass zur Metallentfernung eine stationäre Aufnahme erforderlich war.
Wegen des weiter streitigen Betrages hatte das Erstgericht der Klage ohne Erholung eines Gutachtens zu der Frage, ob eine stationäre Behandlung unfallbedingt erforderlich war oder nicht, stattgegeben. Hierbei hat es sich insbesondere auf die rechtsfehlerhafte und dogmatisch nicht haltbare Entscheidung des OLG Naumburg vom 6.7.2023 - 9 U 125/22 berufen.
Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Erstentscheidung auf Antrag der Beklagten hin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Hierbei hat es ausgeführt, dass das AG den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat, indem es entschieden hat, ohne die gebotene und erforderliche Beweisaufnahme durchzuführen; insbesondere das durch die Beklagten gegenbeweislich angebotene Sachverständigengutachten hätte erholt werden müssen, wie das LG Krefeld nun klargestellt hat. Es fehlte dem Rechtstreit an der erforderlichen Entscheidungsreife.
Auch hat das Gericht klargestellt, dass der von Seiten der Krankenversicherer üblicherweise vorgerichtlich übersandte Datensatz nach § 301 SGB V eben nicht ausreicht, um den Nachweis unfallbedingter Verletzungen beziehungsweise damit einhergehender Behandlungskosten zu führen. Der Rechtsprechung des OLG Naumburg hat das LG Krefeld eine klare Absage erteilt. Es führt vielmehr aus, dass die vom OLG Naumburg angeführten Probleme der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Beweisführung zwar weitgehend nachvollziehbar seien, allerdings nur das sozialrechtlich geprägte Innenverhältnis zu den Krankenhäusern betreffen. Hiervon zu unterscheiden sei der Regress bei dem Haftpflichtversicherer nach § 116 SGB X im Außenverhältnis, für den ausschließlich zivilrechtliche Grundsätze gelten.
Auch der BGH betone immer wieder die erforderliche Trennung zwischen den sozialrechtlichen Verpflichtungen und dem Zivilrecht, die sich nicht zwangsläufig entsprechen (BGH r+s 2010, 217; BGH r+s 2009, 128). In den zitierten Entscheidungen verdeutliche der BGH, dass für den Regress eines Drittleistungsträgers nicht dessen jeweilige Aufwendung maßgeblich ist, sondern das Vorliegen eines kongruenten Anspruchs des unmittelbar Verletzten. Dies wird verdeutlicht, wenn bedacht wird, dass die Klägerin zwar im Innenverhältnis zu den Versicherten hinsichtlich der Krankenhauskosten übernahmepflichtig sein kann, weil durch das Krankenhaus eine (zusätzliche) versicherte Leistung erbracht wird, die daraufhin gestellte Rechnung sozialversicherungsrechtlich mithin nicht zu beanstanden ist, im Außenverhältnis zu dem Beklagten diese (zusätzliche) Leistung indes in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht. Die reine Kostenübernahme durch den Sozialversicherungsträger könne in diesem Fall nicht zu einem Automatismus dahingehend führen, dass hierdurch auch die Erstattungspflicht der Beklagten festgestellt wird, ohne dass weitere Nachweise zur Erforderlichkeit und Kausalität zu erbringen sind oder gar den Beklagten jedwede Einwendungen gegen ihre Leistungspflicht versagt werden.
Der Normzweck des § 275 C SGB V sei es nicht, dem Sozialversicherungsträger den Regress beim Schädiger zu erleichtern, sondern vielmehr, Bürokratie abzubauen und vor allem auch die Krankenhäuser zu entlasten. Der Datensatz nach § 301 SGB V eignet sich lediglich zum Beleg der Tatsache, dass die Versicherte tatsächlich in dem Krankenhaus behandelt wurde und dort auch Leistungen erbracht wurden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den in diesen Dokumenten genannten Verletzungen werde aber durch die Unterlagen nicht prüfbar dargelegt. Daher hätte das Erstgericht ein Gutachten zur unfallbedingten Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Maßnahmen erholen müssen, was es nach der erfolgten Zurückverweisung nunmehr nachzuholen haben wird.
Fazit:
Die Entscheidung fügt sich in die gängige Rechtsprechung zu der Thematik ein und ist zu begrüßen. Klargestellt ist mit der Entscheidung letztlich, dass auch bei unstreitigen Primärverletzungen im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, wenn also das Beweismaß nach § 287 ZPO gilt, nicht jedwede Beweisaufnahme entbehrlich ist. Zuletzt hatten sich manche Instanzgerichte quasi blind der Entscheidung des OLG Naumburg angeschlossen und ohne Beweisaufnahme entschieden. Dies kann nicht angehen und verletzt den Schädiger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Den voreilig entscheidenden Instanzgerichten gilt es daher durch derartige Berufungsurteile vor Augen zu führen, dass ohne ordnungsgemäße Beweisaufnahme nicht entschieden werden kann.
Nach Zurückverweisung an das AG wurde die Sache durch Vergleich beendet.
Ansprechpartner
RA Armin Seiler, München
armin.seiler@bld.de
In Verbindung stehende Entscheidungen
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Rechnungsprüfung beim Regress des Sozialversicherungsträgers (mit BLD-Anmerkung)
LG Krefeld, Urteil vom 2.5.2024 - 3 S 12/23 (nicht rechtskräftig)