Den Sozialversicherer, der Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht (hier: § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X), trifft die gleiche Darlegungs- und Beweislast wie den Geschädigten. Er muss danach den Strengbeweis für die Verletzungen und die Unfallkausalität von Behandlungen führen. Die bloße Vorlage von Abrechnungsunterlagen reicht nicht.
Anmerkung
Das OLG Hamm hat sich in seinem Urteil vom 16.5.2023 - I-26 U 99/22 mit den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Sozialversicherungsträgers bei einem nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch auseinandergesetzt. Das Urteil setzt die Rechtsprechung des BGH vom 23.2.2010 – VI ZR 331/08 - BeckRS 2010, 6073 fort. Regressiert der Sozialversicherungsträger auf ihn übergegangene Ansprüche, muss er den Strengbeweis nach § 286 ZPO für die Verletzungen und die Unfallkausalität führen. Die bloße Vorlage von Abrechnungsunterlagen genügt nicht. Beweis ist durch Sachverständigengutachten zu erheben.
In dem zu entscheidenden Fall zahlte die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung für ihren Versicherten Rechnungen von verschiedenen medizinischen Leistungserbringern. Unstreitig im Verfahren blieb, dass teilweise Leistungen aufgrund eines Unfallgeschehens erbracht wurden, für welches die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung eintrittspflichtig war. Die Beklagten wendeten ein, dass nicht nur unfallbedingte Verletzungen behandelt und abgerechnet wurden, sondern auch Behandlungen aufgrund von Vorerkrankungen erfolgten. Die Klägerin müsse daher differenziert zu jeder einzelnen behaupteten Verletzung und Behandlung vortragen. Demgegenüber vertrat die Klägerin den Standpunkt, der Beklagten stehe kein Prüfungsrecht zu, da der Klägerin gegenüber den medizinischen Leistungserbringern selbst kein Prüfungsrecht zustehe.
Rechtsfolgen in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast
Das OLG Hamm hat klargestellt, dass hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast allein auf die geschädigte Person abzustellen ist. Hieraus folgt, dass der Sozialversicherungsträger bei Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs den Strengbeweis nach § 286 ZPO führen muss. Diese Anforderung gilt hinsichtlich der Verletzungen überhaupt und in Bezug auf die Unfallkausalität der Behandlungen, deren Kosten beansprucht werden. Beweiserleichterungen kommen dem Sozialversicherungsträger nicht zu.
Die Vorlage des Groupers reicht nicht
Vorgelegt hatte die Klägerin in dem Verfahren den sog. Grouper. Hierbei handelt es sich um eine bloße Forderungsaufstellung ohne nähere Beschreibung der konkret erbrachten medizinischen Leistung. Durch die Berechnung auf Fallgruppenbasis soll der Abrechnungsprozess verschlankt werden. Das OLG Hamm hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die bloße Vorlage dieser Forderungsaufstellung nicht zum Nachweis der konkreten Forderungshöhe ausreicht. Zutreffend begründet dies der Senat mit dem Ziel der Beweisführung: Entscheidend ist nicht der Zahlungsaufwand des Sozialversicherungsträgers, sondern der Nachweis der unfallbedingt entstandenen Heilbehandlungskosten. Der Senat verlangt, dass der Sozialversicherungsträger jede Einzelaufwendung belegt und beweist, weil dies der unmittelbar Geschädigte ebenso hätte darlegen und beweisen müssen.
Fazit
Für den Sozialversicherungsträger gelten beim Regress die gleichen Anforderungen wie für den unmittelbar selbst Geschädigten. Jede medizinische Einzelaufwendung muss belegt und bewiesen werden. Sollte der Sozialversicherungsträger beim Regress seiner Forderungen keine überprüfbaren Unterlagen vorlegen, ist die Forderung abzulehnen und auf die Nachweispflicht hinzuweisen. Bis zu einer Entscheidung des BGH zum Urteil des OLG Naumburg dürften bis zu zwei Jahre vergehen. In laufenden Prozessen das Ruhen des Verfahrens zu beantragen ist daher schon wegen des Zinslaufes nicht empfehlenswert.
Ansprechpartner
RA Immanuel Drewes, Köln
immanuel.drewes@bld.de
Regress des Sozialversicherungsträgers – Vorlage des Groupers reicht nicht! (mit BLD-Anmerkung)
OLG Hamm, Urteil vom 16.5.2023 - I-26 U 99/22