Bleibt der Unfallhergang ungeklärt, bleibt dem Haftpflichtversicherer trotz vollständigem Ausgleich der Schadensersatzansprüche an den Leasinggeber ein Regress in Höhe von 50 % gegenüber Fahrer oder Leasingnehmer verwehrt.
Anmerkung
Zugrunde lag ein unaufklärbares Verkehrsunfallgeschehen zwischen einem Klein-LKW und einem geleasten PKW. Die Verursachungsbeiträge standen mit je 50 % fest. Die Leasinggeberin hatte daraufhin als nichthaltende Eigentümerin den Schaden gegen den Haftpflichtversicherer des LKW nach § 115 VVG, § 7 StVG geltend gemacht. Als nichthaltender Eigentümer musste die Leasinggeberin sich die Betriebsgefahr des PKW nicht zurechnen lassen und daher 100 % des Schadens vom Versicherer ersetzt erhalten. Damit lag gemessen an der Haftungsverteilung von 50:50 eine „Überzahlung“ des Versicherers von 50 % an die Leasinggeberin vor.
Diesen Anteil machte der Versicherer im Regresswege nunmehr gegen den Fahrer und den Halter des PKW geltend, die auch Leasingnehmer sind. Dazu stützte sich der Versicherer auf Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich (§§ 421, 426 BGB). Sobald ein Gesamtschuldner die Ansprüche des Gläubigers vollständig ausgleicht, gehen nach § 426 Abs. 2 BGB die Ansprüche des Gläubigers insoweit auf den leistenden Gesamtschuldner über. Der Versicherer sah sich in einem solchen Gesamtschuldverhältnis mit den Leasingnehmern, sodass der Versicherer aus übergegangenen Ansprüchen der Leasinggeberin gegen die Leasingnehmer vorgehen wollte, um die „Überzahlung“ zurückzuerhalten.
Der BGH untersuchte dazu vor allem, ob ein Gesamtschuldverhältnis besteht (§ 421 BGB). Dies ist der Fall, wenn mehrere Schuldner einem Gläubiger (hier: Leasinggeberin) die gleiche Leistung schulden. Im Vordergrund der Prüfung stand dabei, ob es überhaupt Ansprüche der Leasinggeberin gegen die Leasingnehmer gibt, also die Leasingnehmer der Leasinggeberin etwas „schuldet“.
Der BGH verneinte Schadenersatzansprüche der Leasinggeberin gegen Fahrer und Halter: § 7 und § 18 StVG finden im Verhältnis zwischen Leasinggeberin und Halter/Fahrer – zu Recht – keine Anwendung, da diese Normen nicht das Eigentum der Leasinggeberin schützen. § 823 BGB scheidet wegen mangelnden Verschuldens aus (unaufklärbarer Unfall). Auch eine vertragliche Pflichtverletzung (§ 280 BGB) verneint der BGH: Grundsätzlich darf der Leasingnehmer das im Eigentum des Leasinggebers stehende Fahrzeug nicht beschädigen und müsste sich gegebenenfalls im Verhältnis zum Leasinggeber insoweit entlasten (da bei vertraglichen Pflichtverletzungen die Verschuldensvermutung eingreift). Gelingt ihm dies nicht, haftet er aus § 280 BGB. Diese Voraussetzung gilt indes nur dann, wenn die möglichen Ursachen des Schadens im Gefahren- und Obhutsbereich des Leasingenehmers liegen. Nach Auffassung des BGH führt allein die Nutzung des geleasten Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht dazu, dass ein – sogar nur mögliches - Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers – diesem Gefahren- und Obhutsbereich des Leasingnehmers zuzurechnen ist. Da hier das Unfallgeschehen unaufklärbar geblieben ist, steht eine Pflichtverletzung der Leasingnehmer nicht fest und ist daher auch keine Pflichtverletzung gegeben, sodass § 280 BGB ausscheidet.
Schließlich sollen auch aus den Leasingbedingungen keine Ansprüche des Leasinggebers gegen den Leasingenehmer resultieren. Dort ist zwar in 8.2. geregelt, dass für Untergang, Verlust, Beschädigung und schadenbedingte Wertminderung des Fahrzeugs und seiner Ausstattung der Leasingnehmer ab Besitzübergang auch ohne Verschulden haftet. Dies legt der BGH jedoch lediglich als Gefahrtragungsregel im Sinne des § 446 BGB aus und nicht als Etablierung einer verschuldensunabhängigen Schadenersatzpflicht des Leasingnehmers für Beschädigungen der Leasingsache. Hauptbegründung hierfür ist, dass die Verletzung des Sacherhaltungsinteresses unter Nummer 13. der Leasingbedingungen geregelt sei. Ansprüche der Leasinggeberin gegen die Leasingnehmer würden danach nur bestehen, wenn kein Versicherer für den Schaden aufkomme („13. 5 […] Der Leasingnehmer haftet für alle Schäden, soweit sie nicht von einer Versicherung/Dritten gedeckt werden.“).
Da nach Auffassung des BGH schon Ansprüche der Leasingegeberin gegen die Leasingnehmer nicht bestehen, fehlt es bereits an einem Gesamtschuldverhältnis zwischen Leasingnehmer und Versicherer, sodass auch der Anwendungsbereich des § 426 BGB nicht eröffnet ist.
Im weiteren hat der BGH „sicherheitshalber“ - entgegen seiner eigenen Auffassung - einmal unterstellt, dass sich aus 8.2. der Leasingbedingungen eine verschuldensunabhängige Haftung der Leasingnehmer gegenüber der Leasinggeberin ergäbe. So wäre ein Anspruch der Leasinggeberin gegen die Leasingnehmer denkbar, ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Leasingnehmer und Versicherer also möglich. Indes verweist der BGH hier auf die Notwendigkeit der „Gleichstufigkeit“ der Verpflichtungen der Schuldner (hier: Leasingnehmer und Versicherer) gegenüber dem Gläubiger (hier: Leasinggeberin). Wenn nur einer der Schuldner dem Gläubiger subsidiär haftet, kann ein Gesamtschuldverhältnis nicht angenommen werden. Diese „Gleichstufigkeit“ wird vom BGH unter Verweis auf die subsidiäre Haftung des Leasingnehmers in Nr. 13 der Leasingbedingungen abgelehnt, wonach der Leasingnehmer nur haften muss, wenn nicht eine Versicherung für den Schaden aufkommt.
In den untergerichtlichen Instanzen war in der Vergangenheit durchaus eine bestehende Gesamtschuld und damit Regressansprüche befürwortet worden. Dem hat der BGH jedenfalls in dieser Entscheidung eine Absage erteilt.
Von entscheidender Bedeutung waren dafür allerdings die zugrundeliegenden Leasingbedingungen. Bei vergleichbaren Konstellationen sind also vor allem die Leasingbedingungen und deren Wortlaut zu prüfen. Auch der BGH scheint sich bei der Auslegung von 8.2 der Leasingbedingungen nicht absolut sicher gewesen zu sein (wie die Hilfsbetrachtung zeigt), sodass hier in der Instanzrechtsprechung auch abweichende Ergebnisse nicht ausgeschlossen erscheinen.
Bei dieser Entscheidung stand nur die Fallvariante der Beteiligung eines Leasingfahrzeugs an einem „unaufklärenbaren Unfallgeschehen“ inmitten. Auf andere Fallkonstellationen, in denen Leasingfahrzeuge involviert sind, kann diese Entscheidung nicht unbesehen übertragen werden.
Ansprechpartner
RA Stefan Schriever, München
stefan.schriever@bld.de
Regressanspruch des Haftpflichtversicherers gegen Leasingnehmer nach Ersatzleistung an Leasinggeber (mit BLD-Anmerkung)
BGH, Urteil vom 18.4.2023 - VI ZR 345/21