1. Zwar ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle für eine Haftung nicht aus. Insbesondere bei einem sog. „Unfall ohne Berührung“ ist daher Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise die Reaktion des Unfallgegners beeinflusst hat, mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
2. Es stellt keine typische Gefahr eines Auffahrens auf ein Tankstellengelände dar, dass Fußgänger das Betreten der Fahrbahn von der in der Mitte der Tanksäulen befindlichen Plattform zurückstellen müssen. Der Umstand, dass der Fahrer des Pkw durch seine verkehrsgerechte Anwesenheit den Kläger zum Zurückstellen seines Gehvorgangs veranlasste, reicht nicht aus, um eine im Rahmen des § 7 Abs. 1 StVG relevante Ursächlichkeit seiner Fahrweise (oder sonstigen Verkehrsbeeinflussung) für den behaupteten Unfall zu bejahen.
Ansprechpartnerin
RAin Dr. Corinna Carl, Berlin
corinna.carl@bld.de
Reichweite der Halterhaftung bei posttraumatischer Belastungsstörung und Zerrungen durch Vorbeifahrt an einem Fußgänger auf einem Tankstellengelände
LG Siegen, Urteil vom 16.3.2023 - 8 O 97/23 (nicht rechtskräftig)