1. Grundvoraussetzung einer jeden Leistungspflicht ist die medizinische Notwendigkeit; diese muss also immer vorliegen – und im Prozess vom Versicherungsnehmer bewiesen werden –, auch bei der Versorgung mit Hilfsmitteln (Rauscher, Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung, VersR 2021, 351). Seit der Hörgeräte-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2015 ist geklärt, dass § 5 Abs. 2 MBKK 09 auch bei der Versorgung eines Versicherten mit einem Hilfsmittel, wie z.B. mit Hörgeräten, anwendbar ist (BGH, Urteil vom 22.4.2015 – IV ZR 419/13 - VersR 2015, 706). Nach ständiger Rechtsprechung des für das Versicherungsvertragsrecht zuständigen IV. Zivilsenats des BGH ist eine Heilbehandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Eine Gleichsetzung von medizinischer Notwendigkeit und Vertretbarkeit lehnte der BGH in seiner ersten begriffsklärenden Entscheidung explizit ab. Darüber hinaus ist nach Auffassung der Rechtsprechung (LG Düsseldorf, Urteil vom 22.3.2013 – 20 S 27/11 - VersR 13, 1255; Rauscher, Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung, VersR 2021, 351) eine Berücksichtigung privater oder berufsbedingter Anforderungen nicht möglich. Dies insbesondere, da dies ansonsten zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten führen würde.
2. Gelangt ein gerichtlicher Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die vorgenommene Versorgung mit Hörgeraten nicht zu 100 % notwendig war, bestätigt dies eine Übermaßversorgung. Und zwar ohne dass es streitentscheidend darauf ankäme, ob das Gerät irgendwelche Zusatzleistungen hat.
3. Erklärt ein Versicherungsvertreter gegenüber dem Versicherten, dass 100 % übernommen werden, wenn die Hörgeräte über den Versicherer bezogen werden, so liegt hierin kein Anerkenntnis dahingehend, dass jedes beliebige Hörgerät zu 100 % erstattet wird. Vielmehr sind die AVB so zu verstehen, dass die medizinische Notwendigkeit vorliegen muss und der Versicherer berechtigt ist, diese zu prüfen.
Ansprechpartnerin
RAin Anne Middel, Köln
anne.middel@bld.de
Übermaßversorgung bei einem Hörgerät
AG Bensheim, Urteil vom 16.5.2024 - 6 C 193/22 (nicht rechtskräftig)