1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass ein Notar regelmäßig nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG auf Grund seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung oder seiner allgemeinen Betreuungspflicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO gehalten ist, auf steuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts hinzuweisen. Denn diese gehören typischerweise nicht zum Inhalt des beurkundeten Geschäfts selbst, sondern ergeben sich kraft Gesetzes als Folgen daraus. Nur ausnahmsweise kann eine erweiterte Belehrungspflicht im Hinblick auf eine in besonderen Umständen des Einzelfalls wurzelnde, den Beteiligten unbewusste steuerliche Gefahrenlage bestehen, wenn der Notar diese erkennt oder zumindest erkennen kann. Inhalt und Umfang der Belehrungspflicht hängen davon ab, wie konkret der Notar die drohenden steuerlichen Folgen kennt. Kennt er sie positiv, muss er davor warnen. Kennt er sie zwar nicht, muss er aber annehmen, dass das geplante Geschäft von allen Beteiligten wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage nicht erkannte und nicht gewollte steuerliche Auswirkungen haben könnte, muss er empfehlen, die steuerliche Seite von einem Fachmann überprüfen zu lassen. Der Umfang der Belehrungspflicht richtet sich auch danach, ob die Beteiligten einer notariellen Beurkundung geschäftsgewandt und einschlägig beraten sind (BGH, Urteil vom 20. 9. 2007 - III ZR 33/07 - NJW 2008, 1085 m.w.Nachw.).
2. Allein aufgrund der – dem Notar offen gelegten – Anknüpfungstatsache, dass der Veräußerer und die Erwerberinnen eines Grundstücks Vater und Töchter waren, mag ein Notar noch schließen können, dass die Übertragung jedenfalls auch mit dem Ziel erfolgt, anderenfalls gegebenenfalls anfallende Erbschaftssteuer zu sparen. In Ermangelung steuerrechtlicher Spezialkenntnisse kann ihm aber nicht abverlangt werden, von sich aus nachzuforschen, ob die Urkundsbeteiligten alle auch außerhalb der gewünschten Übertragung liegenden steuerrechtlich relevanten Tatsachen nicht nur im Hinblick auf die Vermeidung von Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer, sondern auch auf Grunderwerbssteuer nach dem Tod des Veräußerers bedacht haben.
Ansprechpartner
RA Dr. Simon Kubiak, Köln
simon.kubiak@bld.de
Umfang der Pflicht eines Notars zur Aufklärung über steuerrechtliche Fragen eines Grundstücksgeschäfts
LG Bonn, Urteil vom 15.12.2022 - 15 O 17/22 (nicht rechtskräftig)