Der Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz – VRUG)“ wurde inzwischen dem Deutschen Bundesrat zugeleitet, der im Mai einige Änderungsvorschläge gemacht hat. Die nach der zugrundeliegenden EU-Richtlinie vorgesehene Umsetzungsfrist zum 25. Juni 2023 wird Deutschland also nicht einhalten.
Die Richtline verpflichtet die Mitgliedsstaaten insbesondere zur Einführung von zwei Arten von Verbandsklagen: eine auf Unterlassung gerichtete Klage sowie eine Abhilfeklage zur Durchsetzung von Verbraucherrechten.
Nach den bisherigen Regelungen ist eine Verbandsklagebefugnis nur gegeben, wenn eine entsprechend qualifizierte Einrichtung nach dem UWG oder dem UKlaG (Unterlassungs-)Ansprüche im Verbraucherinteresse geltend macht. Überdies gibt es bereits die Möglichkeit zur Erhebung einer Musterfeststellungsklage. Diese ist bislang im 6. Buch der ZPO in den §§ 606 ff. ZPO geregelt und enthält ebenfalls eine Klagemöglichkeit für qualifizierte Einrichtungen. Die Musterfeststellungsklage ist jedoch ausschließlich auf Feststellung gerichtet. Zur Durchsetzung der individuellen Ansprüche ist folglich eine Individualklage notwendig (mit § 611 ZPO besteht aber die Möglichkeit in einem Musterfeststellungsverfahren einen Vergleich mit Wirkung für und gegen die angemeldeten Verbraucher zu schließen).
Der Regierungsentwurf sieht dementsprechend zur Umsetzung der Richtlinie die Einführung einer auf Leistung gerichteten Abhilfeklage vor. Diese soll mit der bestehenden Musterfeststellungsklage (zusammen: Verbandsklagen § 1 VDuG-E ) künftig im „Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz VDuG)“ geregelt sein.
Die neuen Regelungen beziehen sich neben der Klageberechtigung der klagenden Stelle sowie der Berechtigung des einzelnen Verbrauchers, unter anderem auf den konkreten Ablauf des Verfahrens.
Um als klageberechtigte Stelle zu gelten, muss die entsprechende Stelle eine inländische oder ausländische qualifizierte Einrichtung sein. Gemäß § 2 VDuG-E sind an solche Einrichtungen Mindestanforderungen zu stellen. Dazu gehören z.B. eine gewisse Mindestgröße, Mindesteintragungszeit in der Liste nach § 4 UKlaG sowie die Erhebung einer Verbandsklage nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung. Zudem müssen gemäß § 4 VDuG-E mindestens 50 Verbraucher mit (gleichgelagerten) Ansprüchen bzw. Feststellungszielen betroffen sein und es darf keine unzulässige Drittfinanzierung vorliegen (vgl. § 4 VDuG-E).
Der Referentenentwurf sieht überdies grundsätzlich die Erforderlichkeit einer Anmeldung von Ansprüchen durch Verbraucher zum sog. Verbandsklageregister (§§ 43 ff. VDuG-E) vor. Verbraucher müssen insofern spätestens zwei Monate nach dem ersten Termin eingetragen sein, siehe § 46 Abs. 1 VDuG-E. Die Anmeldung muss unter anderem die Erörterung des Gegenstandes und Grundes des Anspruchs, sowie die Höhe des Zahlungsanspruch enthalten. Dies wird als „Opt-In Verfahren“ bezeichnet. Unterlassungsklagen nach dem UKlaG sind weiterhin ohne eine Anmeldung der betroffenen Verbraucher möglich. Durch diese Regelungen soll ein potenzieller Missbrauch der Verbandsklagen verhindert werden.
Der Ablauf der Abhilfeklage ist in drei Abschnitte untergliedert: Das Abhilfegrundurteil (§ 16 Abs. 1 VDuG-E), das Abhilfeendurteil (§ 18 VDuG-E) und das Umsetzungsverfahren.
Aufgrund des Abhilfegrundurteils kann ein Vergleich geschlossen werden. Kommt kein Vergleich zustande, wird durch Abhilfeendurteil (§§ 18, 19 VDuG-E) ein „kollektiver Gesamtbetrag“ festgelegt. Dieser wird durch das Gericht konkret, unter Abwägung der Gesamtumstände und Beachtung der Schätzung der klageberechtigten Stelle, festgesetzt. Kommt ein Vergleich zustande, können Verbraucher innerhalb einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe im Verbandsklageregister erklären, sich diesem nicht anzuschließen (§§ 10, 17 VDuG-E; sog. „Opt-out Modell“). Sollte während des Umsetzungsverfahrens, in welchem ein Sachwalter den individuellen Betrag an die Betroffenen auskehrt, ein zu geringer Betrag festgestellt werden, so kann dieser unter Aussetzung des Umsetzungsverfahrens erhöht werden (vgl. § 21 VDuG-E). Sollte nach dem Umsetzungsverfahren der Gesamtbetrag nicht vollständig ausgekehrt worden sein, so ist der Restbetrag an das Unternehmen auszukehren.
Ein späterer Opt-in oder Opt-out, beispielsweise nach Abhilfeurteil, ist nicht vorgesehen.
Ausblick
Die Anforderungen schränken das Missbrauchspotenzial von Massenklagen erheblich ein und bilden ein strukturiertes Verfahren zur Durchsetzung vieler Verbraucheransprüche. Der Entwurf übersieht jedoch, dass sich in den letzten Jahren verschiedene funktionsfähige praktische Vorgehensweisen zur massenhaften Verfolgung von Ansprüchen, insbesondere durch spezialisierte Anspruchstellerkanzleien, herausgebildet ha-ben. Insbesondere das Prinzip der Anspruchsabtretung hat sich als praktikable Lösung herausgestellt. In manchen Bereichen und auch unter Einsetzung von Legal-Tech-Hilfsmitteln hat sich auch schlicht die massenhafte Erhebung von Einzelklagen bewährt, auch wenn diese die Gerichte massiv belasten. Es bleibt insofern abzuwarten, welche praktische Bedeutung die Abhilfeklage erlangen wird.
Ansprechpartner
RA Dr. Franz König, LL.M., Köln
franz.koenig@bld.de
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