1. Rechtswidrig geschaffene oder erlangte Beweismittel sind im Zivilprozess nicht schlechterdings unverwertbar. Abzuwägen sind vielmehr das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gegen das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege, wobei letztere nicht per se überwiegen. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass dem Interesse an der Beweiserhebung - über das stets bestehende "schlichte" Beweisinteresse hinaus - besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt. Anders als im Strafprozess ist im Zivilprozess zu berücksichtigen, dass es hier um Konflikte und Interessen gleichgeordneter Bürger geht.
2. Steht einem Zeugen im Strafprozess kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr zu, sich nicht selbst einer Straftat zu bezichtigen, weil vielmehr Verfolgungsverjährung der möglichen Tat eingetreten ist, bestehen auch keine durchgreifenden zivilprozessualen Bedenken dagegen, im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens erlangte "Zufallsbeweise" jedenfalls zivilprozessual zu verwerten.
Anmerkung
Im Fall des OLG Frankfurt/M. ging es um Entschädigungsansprüche eines Versicherungsnehmers einer Postfiliale. Bei einem "Raub" hatten unbekannt gebliebene Täter aus einem Tresor, der für das Tagesgeschäft von einem vor Ort tätigen Auszubildenden geöffnet worden war, um Bargeldauszahlungen vorzubereiten, hohe Bargeldbeträge erbeutet. In die Postfiliale sollten sie noch vor den allgemeinen Öffnungszeiten über eine Hintertür gelangt sein, vor der sie den Auszubildenden, als dieser sie öffnete, abgepasst hatten. Anlässlich einer Überwachung eines Mobiltelefons wegen einer Katalogstraftat (gänzlich anderer Sachverhalt) ergab sich dann, dass der Auszubildende den beiden Tätern geholfen und ihnen sowohl die Tür als auch den Tresor geöffnet hatte. Der Senat musste deswegen, weil in dem Versicherungsvertrag ein Ausschluss für Verluste durch "Beauftragte" vereinbart war, entscheiden, ob diese wohl unstreitig strafrechtlich nicht zu verwertenden Beweismittel auch für den Zivilprozess als unverwertbar anzusehen sind. Dies hat er mit der oben angegebenen Begründung abgelehnt.
Ansprechpartner
RA Jochen Boettge, München
jochen.boettge@bld.de
Verwertung eines rechtswidrig beschafften Beweismittels im Zivilprozess / Beteiligung eines Beschäftigten einer Postfiliale an einem "Raub" (mit BLD-Anmerkung)
OLG Frankfurt/M., Urteil vom 17.4.2024 - 7 U 21/21